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Aktuell-Archiv

November 2006:

Seminar

Neues Vertragsarztrecht ab 1.1.2007 für Ärzte und Zahnärzte

  • Zweigpraxis, Teilzulassung („Halbtagszulassung“)
  • Überörtliche Kooperation, Teilgemeinschaftspraxis
  • Vereinfachungen bei Medizinischen Versorgungszentren
  • Erleichterte Anstellung von Ärzten / Zahnärzten
  • Auflockerung der Altersgrenzen

Termin:
Mittwoch, 29.11.2006 – 19.30 Uhr

Ort:
Colombi Hotel, Rotteckring 16, 79098 Freiburg

Dauer: ca. 90 Minuten

Kostenbeitrag: 25,00 €

Referenten:
Rechtsanwalt Holger Barth, Freiburg
Rechtsanwalt Claus Jürgen Heine, Freiburg

Anmeldung und weitere Informationen:
RA Barth: Telefon: (0761) 21708-90, Fax -91 info@arztrechtplus.de
oder RA Heine, Tel. (0761) 21480-0, Fax -23, info@heine-recht.de

Februar 2006:

Arzthaftpflicht: Aufklärung über Behandlungsalternativen bei bloßem Verdacht auf Bösartigkeit eines Tumors

Ist die Bösartigkeit eines operativ diagnostizierten Tumors nicht gesichert, sondern nur überwiegend wahrscheinlich, muss dem Patienten auf der Grundlage pflichtgemäßer Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, ob er die radikale Tumorentfernung durchführen lässt und hierbei zu Lähmungserscheinungen führende Nervenverletzungen in Kauf nimmt oder ob er eine weitere intraoperative Abklärung (Biopsie) mit den damit verbundenen Risiken einer Streuung von etwa vorhandenen Krebszellen und einer Zweitoperation wünscht, wenn der Tumor im Fall seiner Gutartigkeit nervenschonend entfernt werden kann. Wenn diese Aufklärung unterbleibt, haftet der Arzt wegen Rechtswidrigkeit des Eingriffs für die erwähnten Folgen der von ihm gewählten radikalen Entfernung des sich nachträglich als gutartig erweisenden Tumors. (OLG Köln, Urteil vom 1.6.05 - 5 U 91/03 -; Leitsätze des Autors)

Im konkreten Fall bestand bei der Klägerin aufgrund einer weichteildichten Raumforderung im rechten Halsbereich oberhalb des Schlüsselbeins der Verdacht auf das Vorliegen einer Lymphknotenmetastase eines unbekannten Primärtumors. Nachdem der vermutete Tumor auf andere Weise nicht zuverlässig zu entdecken war, riet der behandelnde HNO-Oberarzt der Patientin zu einer supraklavikulären Tumorexstirpation, anlässlich welcher sich ein Tumor unbekannter „Dignität“ im Bereich des Plexus brachialis - eines Geflechts verschiedener Nerven im Bereich des Schultergürtels und Arms - zeigte. Um den möglicherweise malignen Tumor vorsorglich umfassend entfernen zu können, durchtrennten die operierenden Ärzte bewusst und fachgerecht einen Teil des Nervengewebes. Die anschließende histologische Untersuchung des Tumors ergab, dass es sich um ein gutartiges Neurinom handelte. Bei der Patientin blieb ein Nervenschaden mit anfänglichen Lähmungserscheinungen im Bereich des rechten Armes zurück, der mittels einer Nervenplastik nicht vollständig kompensiert werden konnte.

Das OLG verneinte wie schon das LG einen Behandlungsfehler! Die gewählte radikale Methode der Totalentfernung des Tumors sei insbesondere deshalb ärztlich vertretbar gewesen, weil auch die Alternative einer zwischengeschalteten Biopsie nebst histologischer Untersuchung des Tumors wegen der möglichen (wissenschaftlich allerdings nicht belegten) weiteren Streuung etwaiger bösartiger Tumorzellen und einer eventuell notwendigen Zweitoperation mit Risiken behaftet gewesen sei. Als rechtswidrig erwies sich das Vorgehen der Ärzte vielmehr dadurch, dass sie die Klägerin nicht über letztere (Diagnose- und) Behandlungsmöglichkeit aufklärten. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Weisen aber mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen auf, besteht also eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, muss diesem nach entsprechender vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll (s.a. BGH , Urteil vom 15.3.05 - VI ZR 313/03 -).

Die Patientin befand sich hier nach den Ausführungen des OLG insbesondere deshalb in einem relevanten Entscheidungskonflikt, weil die nicht notwendig radikale Entfernung eines prognostisch möglicherweise harmlosen Neurinoms (oder anderen gutartigen Tumors) in Bezug auf etwaige Nervenschäden vergleichsweise wenig riskant gewesen wäre, während die zuvor erwähnten Zusatzrisiken im Fall der Bösartigkeit des Tumors letztlich doch sehr gering erschienen. Vor diesem Hintergrund hätte sie sich nach sachgerechter Aufklärung wohl für die weniger eingriffsintensive Alternative einer Klärung im Verlauf der Operation entschieden, was dann zu einer Änderung des Konzepts der radikalen Operation hätte führen müssen. Dass der Nervenschaden auch in diesem Fall eingetreten wäre, konnte der insoweit beweispflichtige Arzt nicht einmal plausibel machen.
Das Berufungsgericht verurteilte daher die beklagten Ärzte auf Antrag der Klägerin zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € nebst Ersatz ihres materiellen Schadens, während die Vorinstanz die Klage mangels Vorliegens eines Behandlungsfehlers abgewiesen hatte. Beide Entscheidungen liegen gleichsam innerhalb der Streubreite der in dem Urteil des OLG mitgeteilten Äußerungen der ärztlichen Gutachter.

Führt als Fazit vorliegender Entscheidung eine ärztliche Behandlung zu einem Körperschaden und gelingt dem betroffenen Patient der oftmals schwierige Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht vollständig, so ist ergänzend sorgfältig zu prüfen, ob es eine sinnvolle Behandlungsalternative gab, über welche der zuständige Arzt pflichtwidrig nicht hinreichend aufgeklärt hat, und die der Patient im Fall seiner ordnungsgemäßen Aufklärung möglicherweise vorgezogen hätte. Der Vorwurf der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht erhält in derartigen Fällen eine aus ärztlicher Sicht mitunter kritisierte Auffangfunktion, wogegen wiederum einzuwenden ist, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ein schützenswertes Gut darstellt.

Dezember 2005:

Gutachten: § 116b Abs. 2 SGB V ist verfassungswidrig

Am 19.12.05 haben die KBV (Dres. Köhler und Stahl) und der BNHO (PD Dr. Schmitz) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz das von Prof. Dr. Andreas Hänlein (Universität Kassel) und Holger Barth (Rechtsanwalt, Freiburg im Breisgau) unter folgendem Titel verfasste Rechtsgutachten vorgestellt:

Die Gefährdung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) niedergelassener Vertragsärzte durch Verträge nach § 116b Abs. 2 SGB V - materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Folgerungen aus dem „Ermächtigungsbeschluss“ des Bundesverfassungsgerichts vom 17.8.2004 (1 BvR 378/00) -

Die Autoren gelangen in ihrem 26-seitigen „Kurzgutachten“ zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 116b Abs. 2 SGB V, der zufolge Krankenkassen mit Krankenhäusern - ohne vorherige Bedarfsprüfung - Verträge über die ambulante Erbringung hochspezialisierter Leistungen sowie zur Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen schließen können, in materieller Hinsicht verfassungswidrig sei.
Die verfassungsrechtliche Würdigung der mitbehandelten Verfahrensfragen stellt keine Handlungsanleitung dafür dar, wie betroffene Vertragsärzte gegen entsprechende Verträge im Bedarfsfall gerichtlich vorgehen könnten. Hierzu bedarf es vielmehr ergänzender Überlegungen, wie etwa zu den Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes vor den Sozialgerichten, die im Rahmen des Gutachtens nur gestreift werden konnten.

>> direkt zur Pressemitteilung auf den Internetseiten der KBV
>> Gutachten als PDF-Datei herunterladen (163 KB)

Aktuell-Archiv

Oktober - November 2005 (Rechtsprechung des BSG/BVerfG zum Rechtsschutz niedergelassener Vertragsärzte gegen Ermächtigungen, Weiterentwicklung des Vertragsarztrechts 2006)

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